Die Kinder aus Korntal

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Der Film über den jahrzehntelangen Missbrauch und die Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Kinderheim in Korntal ist am 26. März in Buchholz zu sehen.

„Wir waren Menschenmüll, wir waren nichts wert für die Erzieher und die Gemeinde“, sagt Detlev Zander. 14 Jahre lang, vom kleinen Dreijährigen bis zum 17-jährigen jungen Erwachsenen, erlitt er psychische, physische, theologische und sexualisierte Gewalt im Kinderheim der Ev. Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart. Wie er waren viele andere Kinder dem Hausmeister, den Erziehern, Pastoren und Gemeindemitgliedern schutzlos ausgeliefert. Keiner half, es gab keine Verbindung nach „draußen“. Im Film „Die Kinder aus Korntal“ kommen neben Detlev Zander sechs Betroffene zu Wort, die von 1950 bis 1970 Gewalt erfuhren. Es ist ein Film über kaum zu ertragende Verbrechen. Zu sehen am 26. März um 19.00 Uhr in der St. Johannis-Kirche in Buchholz. Bei der anschließenden Diskussion ist auch Detlev Zander dabei. 

Mit drei Jahren kam Detlev Zander 1964 ins Heim. Was er erlebt hat, ist unvorstellbar. Vom Pastor, vom Hausmeister und von einem Gemeindemitglied sexuell missbraucht. Wie er wurden Kinder verprügelt, kamen in Isolationshaft, mussten ihr Erbrochenes essen. Anstatt einer Gute-Nacht-Geschichte gab es Prügel mit dem heißen Bügel. Es bleibt unentdeckt. Die konservative und als pietistisch geltende Brüdergemeinde schweigt und vertuscht. 

Endlich mit 17 Jahren wird er entlassen. Er absolviert eine Ausbildung zum Pfleger, später zum OP-Pfleger. „Ich hatte ein Zimmer, etwas zu essen und die Menschen waren weiß gekleidet, ich dachte, die tun mir nichts.“ Er verdrängt, spricht nicht über das Erlebte. „Aber das Trauma sucht sich seinen Weg.“ Dann, 2013 werden die Depressionen schlimmer, er versucht, sich das Leben zu nehmen. Der Suizid-Versuch scheitert. „Ich dachte mir, entweder trete ich aus dem Leben oder ich gehe an die Öffentlichkeit. 

2013 macht er seinen Fall öffentlich. Mehr als 150 weitere Betroffene melden sich, aus einem Einzelschicksal wird ein System des Missbrauchs. „Etwa 80 Kinder wurden sexuell missbraucht. Viele, eigentlich alle, erlitten physische, psychische und theologische Gewalt.“ Detlev Zander verarbeitet seine Gesichte 2015 in einem Buch: „Und Gott schaut weg. Die Geschichte des Dieter Z. Ein Kind in der Hölle.“ Regisseurin Julia Charakter nimmt Kontakt zu Zander auf, er vermittelt weitere Betroffene, die Arbeiten am Film dauern vier Jahre. „Der Film wertet nicht. Wo Erfahrungsberichte als Tonaufzeichnungen zu hören sind, füllt eine schlichte Animation das Bild. Wenn Verantwortliche sich äußern, bleibt die Kamera zurückhaltend, es folgt keine Wertung“, sagt Zander. Der Film zeigt auch den schwierigen Prozess der Aufarbeitung in der Brüdergemeinde Korntal. 

Detlev Zander ist heute Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). „Ich habe mein Trauma überwunden und will nach vorn blicken.“ Er setzt sich dafür ein, dass die Belange der Betroffenen in der EKD und der Diakonie auf höchster kirchlicher Ebene wahrgenommen und bearbeitet werden. Die ForuM-Studie, eine erste wissenschaftlich unabhängige Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche, die 2024 veröffentlicht wurde, sieht er in Punkten kritisch, dennoch sei danach vieles in Bewegung gekommen: „Es ist gut, dass es mehr Personal in den Fachstellen Sexualisierte Gewalt der Landeskirchen gibt. Gut sind Schutzkonzepte in den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen, aber sie müssen auch gelebt werden. Wichtig sind Schulungen von Ehren- und Hauptamtlichen, von Jugendlichen und Erwachsenen in den Kirchengemeinden.“

Beim Filmabend wird Detlev Zander dabei sein und freut sich auf eine sachliche Diskussion: „Der Film ist für jede Kirchengemeinde die beste Präventionsarbeit. Er mahnt und zeigt, wie man mit Betroffenen umgehen soll.“ 

 

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Detlev Zander. Foto: EKD
Detlev Zander. Foto: EKD
Filmplakat: Salzgeber.de
Filmplakat: Salzgeber.de